„Wir alle spielen Theater.”
Erving Goffman
Im Jahre 1907 schreibt Carl Hauptmann seinen zu Recht vergessenen Roman „Einhart der Lächler”.
Das hat Folgen: Im Jahr 1947 nennen die Eheleute Klucke aus Frankfurt am Main einen bisher unbescholtenen Sohn Einhart.
Dieser betritt 1952 zum ersten Mal die Bretter, die die Welt bedeuten. Als Prinz (oder war es der Schweinehirt ?) beim Weihnachtsmärchen im Kindergarten.
In dem Stück „Nicht für das Leben, für die Schule lernen wir” übernimmt er 1954 die Rolle eines Saisonarbeiters („Im Winter drei Fünfer, im Sommer drei Einser”).
1965 fährt er für drei Monate nach England zum Studium des britischen Humors. Marty Feldmann fährt in einem offenen Taxi (zufällig?) an dem jungen Humoristen vorbei. Ist das der Durchbruch?
1966 macht er aber zunächst das Abitur und verweigert den Kriegsdienst. An den städtischen Bühnen in Frankfurt ergattert er u. a. eine Statistenrolle in Verdis Oper „Aida”. Eine Karriere als Opernstar wird gerade noch durch den Einspruch des Musiklehrers verhindert: „Klucke, Sie haben eine vorzügliche Stimme zum Rindfleischessen”.
Enttäuscht verlässt er Frankfurt um in Hamburg als Ersatzdienstleistender in „Allein unter Diakonissen” ganz unten wieder zu beginnen. In den politischen Possenspielen jener Zeit lebt er seine clownesken Neigungen ungehemmt aus. 1969 übernimmt er in einem Ehedrama die Rolle des Familienvaters und widmet sich zunächst der Erziehung seiner Tochter. Ein Studium der Germanistik und Anglistik soll ihm darüber hinaus den Weg zu seriöseren Rollen ebnen.
Doch zunächst muss er sich mit zweifelhaften Nebenrollen zufrieden geben: Als Handlanger auf dem Bau und im Hafen, als Landvermesser und nicht zuletzt als Aushilfe bei der Bundespost. Nach einer Unfallserie mit Postautos verliert er 1974 seinen Broterwerb als Eilbote. Danach erwirbt Einhart den Taxenschein. Während der Nachtschichten schreibt er erste satirische Texte.
Mit Freunden gründet er 1976.eine Songgruppe. Eine erste Probe ergibt, dass dies sein bisher bester humoristischer Einfall war. Das Hamburger Straßentheater „Die Marktschreier” war geboren!
1977 beginnt er ein dreijähriges Gastspiel als Deutsch- und Englischlehrerin der niedersächsischen Diaspora. Trotz hervorragender Kritiken („Herr Klucke ist ein pädagogisches Naturtalent”) eines vermutlich linksradikalen Mentors verlässt er die Beamtenlaufbahn. Der Oberschulrat schickt ihm eine Dankesurkunde – auch im Namen der Kinder. Erneut scheitert er als tragische Figur in einer Familienserie.
Klucke steigt aus und schließt sich dem fahrenden Volk an. In den 80iger Jahren arbeitet er ohne Netz und goldenen Boden. Mit seinem ersten Soloprogramm positioniert er sich als politischer Clown im Wahlkampf gegen F. J. Strauß. 1982 folgt „Krisenfest”, zusammen mit einer Musikantenformation, die in eingeweihten Kreisen auch nicht gerade den besten Ruf genießt. Vergebliche Flucht nach Köln – die Vergangenheit holt ihn in Person seiner Tochter wieder ein.
1984 folgt „Es gibt ein Leben vor der Rente”, eine bundesweite Tournee mit Künstlern, die sich noch heute nur mit gemischten Gefühlen an diese Zusammenarbeit erinnern. „Lieber lebendig als normal” ist im gleichen Jahr ein neuer clownesker Alleingang.
1986 krönt er seine Karriere mit „Lacht kaputt was Euch”, ein Soloprogramm, das auch als Buch erfolgreich ist. Klucke hat erreicht, was er erreichen konnte. Eine Herausforderung sah er nurnoch im Wechsel ins Charakterfach, der er 1989 mit dem Antritt einer hauptamtlichen Tätigkeit für die IG Medien (jetzt Verdi) gerecht wurde. Motto: „Der Funktionär ist die konsequente Fortsetzung des Clowns mit anderen Mitteln”. Im gleichen Jahr zieht er nach Mannheim. Nicht wegen der Stadt, sondern wegen Ute.Wieder übernimmt er eine Rolle in einer Familienserie, die beim Publikum nach wie vor großen Anklang findet.
Seit Anfang der 90ziger Jahre entstehen unter dem Label „Kluckes Kurz- und Kleinkunst” diverse Performanceprogramme – z.B. für die Winterakademie in der Mannheimer Feuerwache und für die Ausstellungsreihe „Blickachse” in Worms (Titel u.a.: „Einführunk”, „Museumswärter” oder „Kunstfehler”). Insbesondere die letztgenannte regt ihn auch zu eigener Objektkunst an und führt ab 1994 zu seiner Solodauerausstellung „Hommage an alle – der Künstler ist anwesend”. Außerdem steigt er 1995 am Mannheimer Theaterhaus TIG 7 u.a. als Mephisto ein und schreckt selbst vor der Mitwirkung in Kindertheaterstücken nicht zurück – allen Oberschulräten zum Trotz!
Nach Abschluss eines Altersteilzeitvertrages (dafür muss er Helmut Kohl heute noch dankbar sein) im Jahr 2001 plant Klucke wieder Kabarettprogramme, in denen er seinen obskuren Lebenswandel, seine verqueren Ansichten und seine politischen Obsessionen Revue passieren lässt!
Im Jahr 2003 findet er als wohl spätberufendster Stand–Upper des Landes die ideale Tätigkeit für einen geruhsamen Lebensabend und gleichzeitig in Frederic Hormuth den geeigneten Coach für seine partiell autoironische Selbstanalyse „Kluckes kleines Glück”. Die erfolgreiche Zusammenarbeit wurde 2005 fortgesetzt mit „Langsam reicht's”, einer autonom-aggressiven Analyse der rasenden Zeitläufte.
Im Jahr 2006 wird er von seiner Tochter für eine neue Familienserie als Opa engagiert.
Daher wird, wieder unter der Regie von Frederic Hormuth, im Jubiläumsjahr 2007 (Klucke wird 60, Einhart der Lächler 100 , Mannheim 400 !) der dritte Teil einer ursprünglich nicht geplanten kabarettistischen Trilogie Premiere haben: „Apo/Opa” - die Geschichte von einem der auszog, die Welt zu verändern. Und der jetzt nicht weiß, ob er sie seinem Enkel in diesem Zustand hinterlassen kann...
Zu allem Überfluss lässt Klucke sich auch noch zu einer respektlosen Liebeserklärung an seine neue Heimat hinreißen: „Mannheim macht mich manchmal müde” – ein ausgeschlafener Heimatabend für aufgeweckte Langschläfer.
Nicht nur besorgte Mannheimer stellen sich die bange Frage: Wo soll das alles enden?
Und ein Ende scheint in der Tat nicht in Sicht: Beim 55. internationalen Filmfest in Mannheim feierte der Film „Wir werden uns wiedersehn” Triumphe, obwohl Klucke in einer nicht unbedeutenden Nebenrolle mitwirkt...
„Mannheim macht mich manchmal müde” schafft es undercover sogar auf den Maimarkt, ohne dass Klucke anschließend Mannheim verlassen muss...
Und zunehmend werden seine Moderatorenqualitäten (ahem) gefragt: Für eine Internet-Talkshow auf Lateart.TV fährt er regelmäßig in den 17. Stock eines Ludwigshafener Hotels, obwohl die Luft so hoch oben im Showbizz recht dünn ist und Klucke bis vor kurzem das Wort Internet nicht mal buchstabieren konnte. Höhepunkt war im Jahr 2008 ein Interwiew mit einer Olympionikin, bei dem er vor laufender Kamera seine sportlichen Qualitäten aktiv zur Diskussion stellte...
Sogar die Stadt Mannheim traute sich im gleichen Jahr, den Mann mit der markanten Brille für eine seriöse Einbürgerungsfeier zu engagieren. Allerdings nicht, ohne hinterher seine roten Schuhe zu monieren und Bedauern darüber zu äußern, die Moderatorentexte nicht vorab gelesen zu haben...
Deshalb plant Klucke nun für 2009 ein neues Programm mit dem selbstkritischen Titel: „Ich kenne meine Grenzen”. Zu befürchten steht allerdings, dass er diese wieder mal überschreiten wird...
Fortsetzung folgt …