von und mit Einhart Klucke
Ein nostalgischer Rückblick in eine ungewisse Zukunft.
Was passiert eigentlich, wenn ein Alt-68er Opa wird? Wie erklärt der seinem Enkel den Spruch „Trau keinem über Dreißig”? Schenkt er ihm den Kosmos-Experimentierkasten „Straßenkampf”? Sollte man zuerst die Verhältnisse ändern und dann die Windeln wechseln, oder doch lieber umgekehrt? Wird der Enkel die Rolling Stones noch erleben können, bevor Gunther von Hagens sie ausstellt? Und vor allem: Wie kann man eigentlich einen Generationenvertrag abschließen, wenn einem der ganze spießige Schriftkram total zuwider ist?
Dies ist die Geschichte von einem, der auszog die Welt zu verändern. Und der jetzt nicht weiß, ob er sie in diesem Zustand seinem Enkel hinterlassen kann....
„APO/OPA” ist das Programm zu Kluckes Sechzigstem. Und gleichzeitig der dritte Teil einer ursprünglich nicht geplanten Trilogie, in der Klucke - wie bereits in „Kluckes kleinem Glück” und „Langsam Reicht's” zu sehen war – seinen Lebenswandel, seine skurrilen Ansichten und seine politischen Obsessionen Revue passieren lässt.
Regie: Frederic Hormuth
Musik: Adreas Rathgeber
Premiere: 29. Juni 07, Mannheim, im Theaterhaus TIG7
SONNTAG AKTUELL 1. Juli 2007
Ein Vaterunser für die Revoluzzer
Kabarettist Einhart Klucke brilliert in Mannheims TiG 7
Mannheim. Es ist mal wieder ein Jahr bedeutsamer Jubiläen. Die Stadt feiert den 400., Kabarettist Einhart Klucke den 60., und 40 Jahre ist es her, dass die außerparlamentarische Opposition in Deutschland an einen Wendepunkt geriet:1967 wurde bei einer Demonstration der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen, heuer ließ der Berliner Polizeipräsident am Grab des Opfers einen Kranz, niederlegen. Nun erinnert „APO-Opa” Klucke an verschüttete Ideale von damals und erzählt im Theaterhaus TiG7 „die Geschichte von einem, der auszog die Welt zu verändern und der jetzt nicht weiß, ob er sie in diesem Zustand seinem Enkel hinterlassen kann.”
In einem Generationenvertrag, „gültig für die BRD in den Grenzen vom Frühjahr 1989” – denn „die Zukunft liegt im Westen”, vermacht er dem Hosenmatz schon mal die Plattensammlung mit dem Schwerpunkt Rolling Stones, die in „Street Fighting Man” Widerstand und Straßenkampf, besangen; später mal soll der Kleine die revolutionären Ziele des Großvaters verwirklichen, er bekommt dafür Erzählungen „aus Opas wilden Jahren” vertraglich zugesichert. Denn der hat seine Zeit vertan mit Heirat, Eigentumswohnung, Renovieren und Fußpflege, dabei die Revolution und den historischen Materialismus vernachlässigt und steht jetzt dumm da: zwar keine Hornhaut an den Füßen, aber auch keinen Umsturz geschafft, noch nicht mal den Ankauf der DDR verhindert.
Im Che-Guevara-T-Shirt unterm Jackett phantasiert Klucke köstlich aufbereitete Eigenhistorie zusammen, die mit einem Liebesbrief während der Grundschulzeit an die Cousine von Gudrun Ensslin beginnt und zu einem Eintrag beim Verfassungsschutz im Ordner KL – von Klar bis Klucke – führt. Stichworte wie Uschi Obermeier, Rainer Langhans und die Kommune 1 stehen für das Aufbegehren, von dem heute nix mehr übrig ist. Nicht Mick Jagger, sondern das Kajal-Frettchen von Tokio Hotel ist Idol der Jugend, für die Artenschutz gelten müsste, weil sie nicht mehr überlebensfähig ist: Wenn das Klingelton-Abo ausläuft, fängt sie das Flatrate-Saufen an. Eloquent und intelligent kommentiert Klucke nicht so sehr die Vergangenheit, sondern die traurige Wahrheit von heute. Über These (wir sind ein super Volk) und Antithese (wir haben brillante Politiker) gelangt er zur bitteren „Synthetik”: Ein beklopptes Volk, hirntot vom RTL2-Gucken, entscheidet sich beim Koma-Wählen für beknackte Politiker.
Unter der Regie von Frederic Hormuth, der ein paar Texte beisteuerte, ist ein kluges und extrem bissiges Programm entstanden, das Klucke mit höchst skurrilen Musikeinlagen auf Kinderspielzeug garniert und mit drei wunderbaren Vaterunsern: einem für die Revoluzzer, einem für die Befürworter der freien Liebe und einem für die Nintendo-Generation, die längst in der virtuellen Welt von „Second Life” lebt. Hochpolitisch, pointenreich, knackig und brillant dargeboten ist „APO-Opa” Kabarett vom Feinsten.
Mike Seifert