Einhart: jetzt reichts!

Von und mit Einhart Klucke
Regie, Textbeiträge und Musik:
Frederic Hormuth

Eine Koproduktion zwischen Kluckes Kurz- und Kleinkunst und dem Theaterhaus TIG 7 in Mannheim

Klucke reicht's. Er hat die Faxen dicke. Er kann das Gejammere, Gefeiere und Gerede nicht mehr ertragen. Dieses Land ist wie ein Karussell, dem die Pferde durchgehen – alles dreht sich im Kreis, die Musik ist zu laut, die Ansager penetrant fröhlich und keiner weiß, wo die Notrufsäule hängt. Bei diesem Tempo schaltet Kluckes innere Ampel auf rot, und er tritt dahin, wo's wehtut: Voll auf die Bremse!

Satirisch, schelmisch, und unverschämt witzig nimmt der spätberufendste Stand-Upper des Landes die rasenden Zeitläufte aufs Korn und ihnen gleichzeitig den Wind aus den Segeln. Klucke packt jetzt aus. Und seine Habseligkeiten ein. Die Zeit ist reif für eine Luftveränderung. Wie sagte schon Roman Herzog: Es muss ein Rucksack durch dieses Land gehen.

Premiere:
24. September 2005 im Theaterhaus TIG7


Mannheimer Morgen 28. 09. 2005

Rucksack voller Häme

KABARETT: Einhart Klucke mit "Langsam reicht's!" im TiG 7

Von unserem Mitarbeiter Mike Seifert

Ja, manchmal möchte man schon seine Siebensachen packen und einfach abhauen. Raus aus Deutschland und anderswohin, das Jammertal verlassen und neu anfangen, wo auch immer. Der Rucksack-Reise Ziel bleibt unklar in Einhart Kluckes Soloprogramm "Langsam reicht's!", die Gründe fürs Davonlaufen benennt der Kabarettist umso deutlicher. Geschickt hat er sie mit rotem Faden zu einem Bündel geschnürt aus lauter Absurditäten, im Mannheimer Theaterhaus TiG 7 wird viel gelacht und geklatscht über die skurrilen Sujets, die Klucke aus Alltag und Politik zusammenklaubt und humoristisch hochrechnet zu einer gründlich unerfreulichen Bilanz: "Garantiert geht alles schief."

Auch auf der ebenerdigen Spielfläche im TiG7 - eine richtige Bühne gibt es hier nicht - gehen ein paar Dinge daneben; so will mal der CD-Player nicht, der die Rhythmusspuren für einen Strauß bissiger Lieder abspielt, wenn Klucke vorher den richtigen Knopf drückt. Dann rappt der jugendlich-salopp gewandete 1947er Jahrgang in HipHop-Manier und "tanzt den Offenbarungseid", singt Verse über aufsteigende Wut, die gut ist, den Kapitalismus, der halt nicht jedem ein Segen ist, oder eben die Allgegenwärtigkeit von Murphys Gesetz, wonach grundsätzlich alles misslingt. Wenn das bei Einhart Klucke mal passiert, dann ist es nicht weiter schlimm: Als alter Hase im Theatergewerbe, der am Premierenabend sein 25. Bühnenjubiläum feiert, umschifft er die Klippen mit Charme und Schlagfertigkeit, macht aus einem Schnitzer flugs einen neuen Gag.

Pointen hat es zuhauf, ein paar davon stammen von Frederic Hormuth, der zudem Regie geführt und die Kompositionen beigesteuert hat. Klucke reißt Witze in hoher Frequenz und bedient sich mal der Stand-up-Comedy, mal der literarischen Parodie, geht historisch in die Tiefe und kommt mit wundersamen Erkenntnissen hervor, etwa darüber, wie der Pumpernickel zu seinem Namen kam. Die etymologische Neudeutung ist ebenso narrisch wie die Nacherzählung der Geburt Jesu aus dem Lukas-Evangelium unter dem Hartz-IV-Blickwinkel, auf dass sich das Volk schröpfen lasse und der Engel der Schufa darüber wache - himmlisch.

Mit hämischem, bisweilen diabolischem Grinsen sinniert und räsoniert Klucke beredt über Kanzler und solche, die es werden wollen, im Machtrausch; über trennungsresistente Zeitungs-Abos, die man nur schwer wieder los wird; über das Freizeitverhalten von Lemmingen am Stock, Nordic Walking genannt, oder Feinstaubrichtlinien in der Ehewohnung, die einzuhalten gerade einem Mann nicht leicht fallen. Menschliche Schwächen beobachtet er mit scharfem Sinn und kommentiert sie mit spitzer Zunge, die Texte haben Schmiss und Schliff, und weil er rhetorisch so flink und firm ist, gibt er gerne was von seinem Wissen ab - in einem zwerchfellgefährdenden Gourmet-Rezept für Politiker-Reden. Ein starkes Programm, man macht sich hernach nur ungern vom Acker.

© Mannheimer Morgen - 28.09.2005